Einsame Nächte

Sie schaltete das Radio an. Es liefen uralte Songs aus den kleinen, mittlerweile verstauben Lautsprechern. Amelie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. "Ach George", dachte sie. "Wieso höre ich mir eigentlich noch Lieder im Radio an? Nur weil du mich auf diesen altmodischen Trip mit dieser altmodischen Technik gebracht hast." Die Musik knatterte und rauschte ein wenig, immerhin gab es überall in der Umgebung, für das Auge vollkommen unsichtbar, Energiequellen jeglicher Art. Dennoch hielt eine kleine Gesellschaft am Radio als Medium fest. Amelie seufzte ein wenig vor sich hin und nahm einen Schluck Tee zu sich. Er war kalt und bitter, immerhin hatte er jetzt schon 2 Stunden vor sich hin gezogen. "Wissen sie. Dieser Tee hatte eine empfohlene Ziehzeit von 6 Minuten. Ich habe ihnen auch zu dieser Zeit empfohlen ihn schnellstmöglich zu trinken." Amelie war allerdings in Gedanken woanders und setzte sich möglichst nah an das Radio heran. "Jaja Effie. Ich habe dich eben auch schon gehört. Uegh. Vielleicht sollte ich doch ab und an auf dich hören." Der kleine Roboter fuhr einen noch kleineren Greifarm aus, nahm die Tasse an sich, säuberte sie und stellte sie zurück ins Regal. Danach flog er in der Wohnung umher und staubte routinemäßig alle Oberflächen ab. Seine Arbeit wurde durch ein leichtes unregelmäßiges Surren des Motors begleitet. Wüsste man nicht besser, dass Effie ein Roboter war, hätte man denken können, es wäre ein genervtes Grummeln. Amelie ging zu ihrem Balkon und öffnete die Tür. Eisiger Wind traf ihre Haut. Es war eine kühle Nacht im April, der Hasenatem im Pflanzkasten blühte natürlich nicht. "Effie. Was denkst du tut George gerade? Geht es ihm gut?" Der Roboter drehte sich zu Amelie um. "Nun ja. Ich habe keinen Zugriff auf Militärdaten. So wie die Dinge gerade stehen, sollte er wohlauf sein. Immerhin befinden wir uns nicht in offenem Konflikt. Das Militär steht nur für den Fall der Fälle, wie die Menschen gerne sagen, bereit." Amelia schmollte leicht vor sich hin. Die Antwort war beinahe dieselbe, wie jedes mal, wenn sie diese Frage stellte. Nichtsahnend, dass sie die Antwort, die sie sich ersehnte, bald bekommen würde, blickte sie hinauf auf den Sternenhimmel, in der Hoffnung, von ihrem Balkon aus Station Venice zu erblicken.

Die Sterne leuchteten eben einfach besser, wenn man sich auf einer Verteidigungsstation in der Umlaufbahn des Planeten befindet. George hielt durch die großen Panoramafenster der Kommandobrücke Ausschau nach möglichen Gefahren. Diese ganze Sicherheit schien ihm zwar etwas bizarr, immerhin gab es keinen offenen Konflikt mit irgendeiner anderen Nation, aber die neuesten Gespräche mit den Lacerianern schienen nicht sonderlich gut zu verlaufen. Ironisch, dass gerade Probleme religiöser Art zu erneuten Unruhen führten. Die Menschheit hat Jahrhunderte, ja schon Jahrtausende damit verbracht sich gegenseitig zu bekämpfen, nur um zu beweisen, dass die Religion des einen besser ist als die des anderen. Diesmal war es allerdings anders, als sonst. Diesmal hat die Religion einer komplett anderen Rasse es geschafft die Menschen zumindest militärisch, wenn auch nur minimal politisch, zusammen zu bringen. Es wirkte fast schon, wie ein kleines Wunder. George musste sich bei diesen Gedanken ein Schmunzeln verkneifen. Die Lacerianer würden sicherlich niemals offen angreifen. Erst recht nicht in einem Maße, das eine solche große Barrikade aus Verteidigungsstationen rechtfertigen würde. Wie zu erwarten war weit und breit nichts zu sehen. Die Brücke war genauso beschäftigt wie immer. Etwas, dass George nie wirklich gefallen wollte, obwohl er der Kommandant der X-55 Unity war. Es wäre ihm viel lieber seinen Kopf in weitere Bücher zu stecken, aber ihm war klar, dass trotzdem die Pflicht ruft.

“Mister G! Geben sie sich das mal. Gerade frisch reingekommen.” Eine ihm zu bekannte raue Raucherstimme Durchbrach seine Gedanken.”Ahh. Maddox. Was ist los? Hast du es wieder geschafft Zigarren in die Station zu schmuggeln? Ich hab dir doch gesagt, dass du wenigstens hier nicht rauchen sollst. Mach es von mir aus auf meinem Schiff, aber nicht hier.” Maddox ignorierte die Antwort geflissentlich. Zum einen weil er nicht von seiner Zigarre zu trennen ist. Zum anderen, da es ausnahmsweise mal etwas anderes war. “Oh nein, nein. Absolut nicht. Neue Nachrichten von den Friedensgesprächen!” - “Ach was. Was gibts zu erzählen?” George erschien es fast so, als wäre Maddox erfreut. Auf seinem Gesicht zeigte sich ein leicht gehässiges Grinsen, welches er nur schwerlich unterbinden konnte. “Unsere feinen Politiker sind mal wieder die besten Redner diesseits von Aesum gewesen. Die haben wieder nichts erreicht, außer unsere Lacerianer Freunde noch mehr zu erzürnen.” George rieb sich die Schläfen. “Das klingt mal wieder danach, dass wir weiter hier auf der Station Däumchen drehen dürfen?” - “Sieht so aus. Morgen soll es ein Briefing für alle Kommandanten geben. Naja. Solang ich meine neuen Zigarren habe soll es mir recht sein.” Maddox lachte vor sich hin und so schnell wie er gekommen war, war er auch wieder weg.

George schaute auf seine Uhr. Zum Glück war seine Arbeit für heute vorbei und er konnte auf sein Zimmer gehen, entspannen und schlussendlich ins Bett. Doch leider war diese Nacht keine, die er Durchschlafen durfte. Er wurde heftig wach gerüttelt. “Chef! Die Pflicht ruft.” Im Halbschlaf kamen Georges Kommandanten Instinkte zu ihm. “Bericht?” - “Kein offener Konflikt. Aber die Sensoren der Station haben überall im Orbit winzige Signale ausmachen können.” - “Keine kleinen Asteroiden?” - “Negativ! Dafür zu passgenau auf dem Weg in die wichtigsten Internationalen Städte. Wir haben schon Kontakt zu Tokio, Washington und Stockholm verloren.” - “Kein Schiff, was in der Lage wäre unsere Hauptstädte zu attackieren, kommt an der Barrikade vorbei. Was geht da vor sich?” - “Was fragen sie mich? Ich bin nur der der die Befehle ausführt. Nicht der Denker.” George machte sich so schnell wie möglich fertig um sich direkt auf zur Brücke zu machen. “Sonst etwas, was ich wissen sollte?” - “Keine Schäden innerhalb der verlorenen Städte.” - “EMP?” - “Negativ. Wäre von der Barrikade abgefangen worden.” George war schon dabei in Richtung Tür zu laufen, als Maddox ihn an seinem Arm festhielt. “Was ist los?” - “Nun. Sie sind keiner der Kommandanten, die jetzt auf die Brücke müssen, wenn ich es mal so ausdrücken dürfte.” George schaute ihn verdutzt an. “Elaboriere!” - “Ehh. Wenn ich das übernehmen dürfte…” Im selben Moment betrat ein großer, dürrer Mann das Zimmer. Seine Haltung war so offen wie immer. Wie ein Jahrzehnte altes Grab. “Tobias... Was habt ihr angestellt?” Tobias räusperte sich, bevor er bereit war zu sprechen. “DUNKINS! Solltest du nicht schon im Schiff sein?” - “Entschuldigung Searge. Aber ich glaube der Tech-Talk steht mir besser.” George hatte sich mittlerweile von Maddox Griff befreit. “Tobias. Techno-Bericht bitte.” - “Also. Inmitten des ganzen Wirrwarr um die gestörte Kommunikation, habe ich mir die Freiheit genommen der X-55 Unity einen neuen Auftrag zu geben. Die Unity wurde vor Ende der Kommunikation von Washington dazu beauftragt sich sofort auf der Oberfläche zu melden und dort ein Briefing zu bekommen, wie genau die neue Forschung an lacerianischer Geschichte geführt werden soll.” George atmete einmal tief durch. “Okay. Ich will gar nicht wissen, wie du das wieder geregelt hast. Aber gut, solange wir von dieser langweiligen Station wegkommen soll es mir egal sein. Maddox, schau dass er sich darum kümmert, dass dieses Briefing offiziell ‘stattgefunden’ hat.” Maddox schlug Dunkins einige male auf die Schulter. Deutlich härter, als eigentlich nötig. “Hahaha. So will ich das hören.” Und so kam es, dass die 3 zur angedockten Unity aufbrachen. Auf dem Weg zu einem Briefing, was nicht einmal hätte geplant sein können.

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